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BMBF-Forschungsschwerpunkt | Steuerung im Bildungssystem

Newsletterausgabe April 2013

08.03.2013

Übersicht

Frühjahrs-Ausgabe 2013 mit Themenschwerpunkt "Schulinspektion"

Kalendereintrag

Kalendereintrag

Liebe Leserinnen und Leser,

während wir bislang vor allem über die Gesamtaktivitäten des Forschungsschwerpunkts  berichtet und erste Projektbefunde zu verschiedenen Aspekten und Ebenen der Steuerung des Schulsystems vorgestellt haben, wollen wir mit dieser Ausgabe einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Schulinspektion setzen:

Als ein zentrales Instrument zur externen Evaluation schulischer Qualität und der Bereitstellung von Steuerungswissen für die Handelnden auf allen System-Ebenen wird die Schulinspektion derzeit in den teilnehmenden Bundesländern zumeist im zweiten Durchführungszyklus umgesetzt.

Im Rahmen des SteBis-Pressegespräches 2012 berichtete Prof. Dr. Kathrin Dedering bereits über erste Ergebnisse zu der von ihr in Thüringen und Hamburg durchgeführten standardisierten Befragung von Schulleitungen und Lehrkräften (-->Befundbericht). Inzwischen liegen auch Befunde aus dem größten Verbundprojekt der BMBF-Förderlinie vor, dessen vier Teilprojekte zum Thema "Schulinspektion als Steuerungsimpuls zur Schulentwicklung und seine Realisierungsbedingungen auf einzelschulischer Ebene" forschen. Über diese Ergebnisse möchten wir Sie heute informieren.

Die Vorstellung dieser Befunde aus Baden-Württemberg, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wird ergänzt und gespiegelt durch ein Kurzinterview mit Dr. Martina Diedrich, Leiterin der Abteilung "Schulinspektion und Systemmonitoring" bei der Schulinspektion Hamburg. Frau Diedrich trägt die bisherigen Erfahrungen aus der Praxis der Schulinspektion aus Sicht der mit der Durchführung beauftragten Institution und Akteure in Hamburg zusammen.

Mit einem Rückblick auf die Workshopveranstaltung "Schulen in schwieriger Lage" aus dem vergangenen November sowie einer Vorausschau auf die diesjähringen Tagungsbeteiligungen der SteBis-Projekte möchten wir Sie schließlich über die Aktivitäten des Forschungsschwerpunkts und über Möglichkeiten zum Austausch mit den Beteiligten informieren.

Mit freundlichen Grüßen aus der Koordinierungsstelle SteBis

SteBis-Befunddarstellungen zur Schulinspektion in Baden-Württemberg, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen

Projektstandort Gießen

Prof. Dr. Jochen Wissinger

Prof. Dr. Jochen Wissinger

Schulinspektion im regionalen und institutionellen Kontext – Qualitative Befunde zu schulinspektionsbezogenen Akteurkonstellationen (Prof. Dr. Thomas Brüsemeister/Prof. Dr. Jochen Wissinger)

Das Teilprojekt an der Justus-Liebig-Universität Gießen untersucht auf der metatheoretischen Grundlage der Educational-Governance-Perspektive Wirkungen der Schulinspektion mit Blick auf die Kooperations- und Interaktionsmuster zwischen beteiligten und betroffenen Akteuren im schulischen Mehrebenensystem. Mithilfe qualitativer Interviews im Rahmen einer Längsschnittstudie erforscht das Team um Prof. Brüsemeister und Prof. Wissinger, inwieweit sich nach Einführung der länderspezifischen Schulinspektionsverfahren im Rollenhandeln und in den Konstellationen zwischen den Akteurgruppen (Schulleitung, Schulaufsicht, Schulträger, Lehrkräfte, Eltern und Inspektoren) Umgewichtungen und Veränderungen ergeben. Nachfolgend werden erste Befunde zu den Wahrnehmungen und dem Rollenhandeln dieser Akteure aus den Untersuchungsländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen dargestellt:

1)      Die Schulleitungen sind die zentralen Ansprechpartner der Inspektion. Sie tragen die Verantwortung für die schulische Umsetzung bildungspolitischer Reformen. Es zeigt sich dabei, dass die jeweiligen Führungsstile der Schulleitungen Handlungsabstimmungen, Koordinationen und Transformationen im Zusammenhang von Schulinspektion prägen. Gleichzeitig sind Schulleitungen herausgefordert, Lehrkräften, Eltern und Schüler/innen bestimmte Perspektiven der Schulinspektion zu vermitteln. Insbesondere bei bereits aktiven Schulen entwickeln sich  Kooperationen, in erster Linie zu Lehrkräften, sogar zu externen Partnern. Die Schulleitungen wünschen sich hinsichtlich der Qualitätsentwicklung ihrer Schule Unterstützung von außen (z.B. durch die Schulaufsicht oder durch Fachberater), ob im Prozess der Schulinspektion oder zu Gunsten einer nachhaltigen Entwicklung im Anschluss daran. Die Beziehungen zur Schulaufsicht bleiben relativ unverändert und werden vor allem durch die bereits bestehende gute oder weniger gute Beziehungsqualität beeinflusst.

 2)      Die Lehrkräfte schildern Ambivalenzen: Einerseits nehmen sie Schulinspektion als Aufsicht und Kontrolle wahr, andererseits als Chance, von außen schulische Praxis in ihren Vor- und Nachteilen gespiegelt zu bekommen. Sie kooperieren in erster Linie mit der Schulleitung, zeigen aber auch Rückzugsverhalten, insbesondere durch unangenehme Erfahrungen im Zusammenhang mit der Rückmeldesituation. Diese beziehen sich auf Situationen der Kränkung, die dadurch entstehen, dass die Fremdwahrnehmung (der Schulinspektion) und die Eigenwahrnehmung (der Lehrer/innen) nicht übereinstimmen. In Einzelfällen nutzen die Lehrkräfte Schulinspektion, um bestehende Konflikte mit der Schulleitung zu klären. Von der Schulinspektion wünschen sie sich ein persönliches Feedback über die Qualität ihres Unterrichts.

3)      Auch die Eltern nehmen Schulinspektion ambivalent wahr: Einerseits interessieren sie sich für Schulinspektion, wenn es um einen Vorteil für ihr eigenes Kind geht. Anliegen der Eltern ist dabei, im Interesse der optimalen Bildung ihres Kindes schulische Qualität und Entwicklung befördert zu wissen. Andererseits sehen sie sich generell über Schulinspektion wenig informiert und wären gern stärker in das Schulinspektionsgeschehen involviert und an den Schulentwicklungsprozessen stärker beteiligt. Dies spiegelt sich auch generell beim Umgang der Eltern mit dem Thema Schulentwicklung: Einige engagieren sich, andere halten sich im Engagement für Schule völlig zurück. Ebenso sind die Kooperationen der Eltern zur Schule sehr unterschiedlich: Sowohl partnerschaftlicher Dialog zwischen Eltern und Schule als auch Empfindungen von Abhängigkeit (insbesondere gegenüber den Lehrkräften, da sie letztlich über den Bildungserfolg ihres Kindes entscheiden) sind erkennbar. Zentraler Ansprechpartner für den Dialog ist für sie die Schulleitung.

4)      Das Inspektionsteam nimmt sich als neutraler Partner von Schule wahr und versucht über Lob- und Vertrauenskultur schulische Akzeptanz zu gewinnen. Das Instrument Schulinspektion wird nicht als Kontrolle gesehen, sondern als hilfreich für Schulentwicklung. Als problematisch sieht es das Inspektionsteam, Wissen über Schule zurückzuhalten; insbesondere wenn die Inspektor/inn/en von der Profession her Lehrer/innen sind. Sie haben viel Erfahrungswissen über Schule, sollen dies aber nicht preisgeben und sollen Schule nicht beraten.

5)      Die Schulaufsicht hat ein positives Verständnis von Schulinspektion, diese wird als ergänzendes und hilfreiches Instrument der Aufsicht verstanden. Die Schulaufsicht ist durch die Einführung der Schulinspektion und im Rahmen der Durchführung von Zielvereinbarungen mit der Schule mit der neuen Rolle und Aufgabe konfrontiert, nicht nur mehr zwischen Bildungsverwaltung und Schule vermittelnd zu kommunizieren, sondern auch den Akteur Schulinspektion zu berücksichtigen. Dies bringt Anfragen der bzw. Reflexionen über die traditionelle Rolle mit sich, in der die Schulaufsicht sowohl administrative als auch beratende Funktionen hat. Durch den neuen Akteur Schulinspektion werden für die Schulaufsicht Fragen aufgeworfen, wie sich das Verhältnis zwischen Aufsicht, Beratung und Inspektion balancieren soll respektive welche Konsequenzen dies für die Beziehung zwischen Aufsicht und Schule mit sich bringt. Erwartet wird von Seiten der Schulaufsicht, dass die Schule initiativ wird und Eigenverantwortung für ihre Qualität zeigt.

6)      Die Schulträger nehmen Schulinspektion als positiv wahr, wären aber gerne „echter Beteiligter“ im Prozess der Schulinspektion. Sie fühlen sich in einer passiven Rolle, da sie in ihrer gesetzlich zugestandenen Rolle die pädagogischen Wertungen des Inspektionsberichts kaum nutzen können. Einige Schulträger gehen jedoch mit der Schule das ideelle Bündnis ein, gemeinsam Bildung zu optimieren. Bildung hat aus ihrer Sicht einen so hohen Stellenwert, dass es sich für den Schulträger lohnt, zu investieren und Fragen jenseits von Zuständigkeiten zu beantworten. Schulinspektion bedeutet aus dieser Perspektive für den Schulträger ein nützliches Instrument, das auch hilft, eigene Positionen und Interessen in der Region zu stärken.

Die vollständigen, Einzelebenen-übergreifenden Auswertungen der Interviews sollen im Rahmen einer späteren Newsletter-Ausgabe veröffentlicht werden.

Projektstandort Hamburg

Dr. Matthias Rürup

Dr. Matthias Rürup

Sichtweisen auf Schulinspektion – Zur Wahrnehmung des Steuerungsinstruments Schulinspektion auf verschiedenen Schulsystemebenen im Ländervergleich (Dr. Matthias Rürup)

Der Projektstandort Hamburg untersucht die Frage, ob bei der Einführung des neuen Steuerungsinstruments Unterschiede in den Vorstellungen der verschiedenen Akteure zu den Zielstellungen und Funktionsweisen der Schulinspektion erkennbar werden. Dazu wurden in den im Projektverbund vier untersuchten Bundesländern Leitfadeninterviews mit a) Vertretern der administrativen Leitungsebene der Schulinspektionen, b) mit Schulleitungen demnächst inspizierter Schulen, c) den inspizierenden Schulinspektionsteams, d) der zuständigen Schulaufsicht und e) dem örtlichen Schulträger durchgeführt und im Anschluss inhaltsanalytisch ausgewertet.

Als zentrales Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich Unterschiede in der Sichtweise der Akteure nicht in erster Linie durch die länderspezifische Ausgestaltung der Schulinspektion erklären lassen, sondern eher durch die Funktionen der einzelnen Akteure: Die Schulaufsichten verstehen entsprechend die Schulinspektion - vermittelt über ihre Aufgabe zum Abschluss von Zielvereinbarungen mit den inspizierten Schulen - als ein Kontrollinstrument. Schulleitungen dagegen nehmen die Schulinspektion eher als externe Impulssetzungen zur eigenverantwortlichen Schulentwicklung wahr.

Auf der administrativen Leitungsebene zeigten sich jeweils die komplexesten Vorstellungen zu Zielstellungen und Funktionsweisen. Wenig sichtbar wird in den Interviews eine eigenständige strategische Nutzung der Schulinspektionsergebnisse durch lokale Akteure der Schulgestaltung. Während sich bezogen auf die Schulträger summieren lässt, dass diese das Instrument Schulinspektion nur in geringem Maße für ihre eigenen Aufgaben und Interessen nutzen können, so ist auch bei Schulleitungen eine betont reaktiv-rezeptive Haltung zu beobachten. Dies scheint für die Wirksamkeit des Steuerungsinstruments Schulinspektion auf Schulebene eine günstige Voraussetzung: Den hier wahrgenommenen Intentionen der Kultusadministration wird eher wenig Eigenes entgegengesetzt.

Wahrnehmungsunterschiede innerhalb der einzelnen Bundesländer führt Rürup auf Differenzen im Standardisierungsgrad der Schulinspektionskonzepte zurück: Je festgelegt-unflexibler das landesbezogene Schulinspektionsverfahren vorgegeben ist, desto homogener erscheint auch seine Wahrnehmung durch die jeweiligen Länderakteure. Ob diese durch Standardisierung erreichte größere Einheitlichkeit der Wahrnehmung der Schulinspektion auch mit einer größeren Durchsetzungskraft der politischen Steuerungsinteressen einhergeht, kann mit den durch Dr. Rürup analysierten Interviews allerdings nicht beantwortet werden.

Die ersten Befunde aus der flächendeckenden Schulleiterbefragung, die im Rahmen der Bielefelder Teilstudie gewonnen wurden, deuten jedenfalls eine andere Entwicklung an: Hier ist eine höhere Akzeptanz und Wirksamkeit von Schulinspektion als Steuerungsimpuls für einzelschulische Schulentwicklung eher in den Bundesländern beobachtbar, die – einer typisierenden Einordnung ihrer Inspektionskonzepte nach– weniger standardisiert vorgehen.

Die skizzierten Befunde sind lediglich als vorläufige Hinweise zu verstehen, da je Bundesland jeweils nur ein Interview pro Handlungskontext bzw. Akteursgruppe durchgeführt wurde.

Projektstandort Hannover

Prof. Dr. Martin Heinrich

Prof. Dr. Martin Heinrich

Schulinspektion und Eigensinnigkeit  – Rekonstruktionen zu Bezugnahmen auf die Schulinspektion im Mehrebenensystem (Prof. Dr. Martin Heinrich)

 Die am Projektstandort Hannover durchgeführten Analysen, die auf Befragungen schulischer und schuladministrativer Akteure in den vier Bundesländern Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen basieren, gehen der Frage nach, welche Umgangsweisen mit der Schulinspektion im Schulsystem zu finden sind. Erste Ergebnisse veranlassen die Forschergruppe um Prof. Martin Heinrich zu der Kernaussage, dass die Vorstellung einer „Schulentwicklung durch Einsicht“, zu der durch die Bereitstellung verobjektivierter Informationen angeregt werden soll, sich kaum mit den rekonstruierten Sichtweisen der befragten Akteure deckt. Für die Mitglieder der Schulverwaltung wird dargestellt, dass sie mitunter den politischen Beschluss zur Einführung der Schulinspektion erst im Nachgang inhaltlich zu füllen und zu legitimieren suchen. Die Inspektor/innen, welche die Inspektion vor Ort an den Schulen repräsentieren,  bearbeiten ein zentrales Strukturproblem, das sich daraus zu ergeben scheint, dass die Programmatik einer Schulentwicklung durch Einsicht letztlich keine autonome Umgangsweise mit der Schulinspektion seitens der schulischen Akteure vorsieht.

Für die Lehrkräfte wird festgestellt, dass insbesondere die im Rahmen der Schulinspektion durchgeführten halbstündigen Unterrichtshospitationen im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen. Diese werden nach Aussagen der Befragten z.T. als bedrohliche, auf die individuelle Unterrichtspraxis bezogene Überprüfungssituationen empfunden. Die Hannoveraner Forscher interpretieren dies als mangelndes Passungsverhältnis zwischen der jeweiligen Schulkultur bzw. dem professionellen Habitus und der Strukturlogik des Steuerungsinstruments, das die Schule als eine Handlungseinheit adressiert, deren Praxis als extern evaluierbar und damit auch steuerbar verstanden wird.

Wenngleich die Befragungsergebnisse der Schulleitungen darauf hinweisen, dass diese offenbar aus den Inspektionsberichten zumeist keinen direkten Nutzen für ihre Schulen ziehen, so scheinen sie das Instrument aber andererseits auch nicht offensiv zu kritisieren oder infrage zu stellen. Prof. Heinrich schließt daraus, dass die Leitungsebene trotz einer geringen substanziellen Auseinandersetzung mit der Schulinspektion bemüht ist, die Akzeptanz des Kollegiums für das Instrument zu sichern und zumindest formalisierte innerschulische Evaluationsschleifen zu etablieren.

Die aus den quantitativen Analysen des Projektstandorts Bielefeld herauszulesende positive Bezugnahme auf das Programm einer Evidenzbasierung kennzeichnet das Forscherteam insofern als eine rhetorische Zustimmung, welche die Schulinspektion mindestens insoweit mit Legitimität ausstattet, wie diese nicht am Grad der Erfüllung der programmatisch behaupteten Wirksamkeit bemessen wird.

Projektstandort Bielefeld

Prof. Dr. Oliver Böhm-Kasper

Prof. Dr. Oliver Böhm-Kasper

Schulinspektion und Schulentwicklung – Ergebnisse der quantitativen Schulleitungsbefragung aus vier Bundesländern (Prof. Dr. Oliver Böhm-Kasper)

Am Projektstandort Bielefeld wird der Frage nachgegangen, ob die unterschiedlichen Ausprägungen der Schulinspektionsverfahren in vier ausgewählten Bundesländern die Wahrnehmung und Akzeptanz dieses Steuerungsimpulses auf Schulleitungsebene beeinflussen. Grundlage des Forschungsprojekts um Prof. Böhm-Kasper bildet dabei eine quantitative Schulleiterbefragung (N=1470), die zu zwei Messzeitpunkten an allgemeinbildenden Schulen in den vier deutschen Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen durchgeführt wurde.

Während für Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen keine bedeutsamen Unterschiede in der Wahrnehmung  und Akzeptanz festzustellen sind, äußern niedersächsische Schulleitungen eine durchweg niedrigere Zustimmung zur Schulinspektion als die befragten Schulleitungen in den Vergleichsländern. Sie thematisieren häufiger die mit einer Inspektion verbundenen Belastungen und nutzen zudem weniger externe Unterstützung als ihre Kollegen in den anderen untersuchten Bundesländern.

In Niedersachsen wird als einzigem Bundesland bei schwachem Abschneiden eine Nachinspektion praktiziert, die dort im Zeitraum von 2005 bis 2008 für 67 Schulen angesetzt wurde. Wie Berichtsdaten der Niedersächsischen Schulinspektion zeigen, wirkt sich die Möglichkeit, als „failing school“ identifiziert zu werden und daraufhin eine Nachinspektion zu erfahren, offenbar auf die gesamte Akzeptanz und Bewertung des Verfahrens auf Seiten der Schulleitungen aus. Zugleich zeigt sich aber auch, dass die grundsätzliche Androhung einer Nachinspektion bei Nichterreichen bestimmter Qualitätskriterien die Schulen offenbar nicht dazu veranlasst, gezielte Schritte im Zusammenhang mit den durchgeführten Inspektionen einzuleiten.

Als zentraler Befund kann schließlich für alle vier untersuchten Bundesländer festgehalten werden, dass die Schulleitungen kaum Auswirkungen der Schulinspektion auf Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung sehen.

Die niedersächsischen Schulleitungen zeigen hierbei insgesamt keine auffällig abweichenden Werte vom Gesamtmittelwert. Etwas differenzierter erscheint das Bild, wenn nur Schulen betrachtet werden, die tatsächlich einer Nachinspektion unterzogen wurden: Basierend auf den Daten des 2008 veröffentlichten Reports der Niedersächsischen Schulinspektion konnte festgestellt werden, dass sich 12 von 14 der im Jahr 2008 nachinspizierten Schulen insoweit verbessert hatten, dass sie zumindest die definierte Mindestnorm für Schulqualität überschreiten konnten. Inwieweit hier gesonderte Unterstützungsmaßnahmen oder sensibilisierte Bewertungen der Inspektoren wirksam waren, konnten die Forscher den Berichtsdaten nicht entnehmen.

Im Vergleich zu angelsächsischen Studien, in denen laut Prof. Böhm-Kasper eher die Belastungen und der Kontrollaspekt von Schulinspektionen thematisiert werden, fällt in deutschsprachigen Untersuchungen die Akzeptanz der Schulinspektionsverfahren zum Erstaunen der Forscher insgesamt hoch aus. Selbst in Niedersachsen überwiegen bei den Schulleitungen die positiven Einschätzungen des Inspektionsverfahrens und der die Inspektion durchführenden Inspektoren. Weiterhin tragen eine positive Wahrnehmung des Inspektorenteams und die von den Schulleitungen empfundene Angemessenheit des Inspektionsberichtes zur Anerkennung von Schulinspektionsverfahren bei. Die auch in anderen deutschen Studien bereits ermittelte ‘Passung‘ von Inspektionsergebnissen und dem Selbstbild der Schule und die damit einhergehende Akzeptanz und Wertschätzung des Verfahrens durch die Schulen lassen sich auch anhand der hier dargestellten Befunde replizieren. Einen möglichen Erklärungsansatz hierfür bietet Prof. Heinrich im nachfolgenden Beitrag an.

Als problematisch wird die kaum wahrgenommene Unterstützung durch die Schulbehörden im Nachgang von Schulinspektionen oder externen Leistungsvergleichen bewertet: Alle untersuchten Schulinspektionsverfahren zielen letztendlich auf eine Anregung der Verbesserung schulischer Arbeit. Dieser intendierte Effekt konnte aber anhand der hier berichteten Daten insgesamt nicht nachgewiesen werden. Inwieweit dies möglicherweise den als mangelhaft wahrgenommenen Unterstützungsleistungen durch die Schulbehörden geschuldet ist, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen des Forschungsprojekts sein.

 

Experteninterview mit der Schulinspektion Hamburg

Die Koordinierungsstelle im Dialog mit Dr. Martina Diedrich zu den Erfahrungen der Schulinspektion in Hamburg

Dr. Martina Diedrich

Dr. Martina Diedrich

Frau Diedrich, die SteBis-Projekte, die zur Schulinspektion forschen, untersuchen für die Bundesländer Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Thüringen auch die Frage nach der Wahrnehmung und Akzeptanz des Instruments in den Schulen. Welche Erfahrung haben Sie in Hamburg bislang mit der Wahrnehmung und Akzeptanz der Schulinspektion in den Schulen gemacht?

Insgesamt trifft die Schulinspektion auf eine hohe Akzeptanz bei den Schulen. Hin und wieder kommt es vor, dass wir auf Widerstände treffen. In der Regel beziehen sich diese auf den Zeitpunkt der Inspektion, gegen den sich Schulen sperren, weil gerade eine besondere Veranstaltung (Projekttage o. ä.) ist, einige Klassen nicht vor Ort sind oder Leitungsstellen für einen längeren Zeitraum nicht besetzt sind. Wir haben deshalb Kriterien festgelegt, anhand derer die Entscheidung über eine Verschiebung getroffen werden kann (wenn zum Beispiel mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler nicht da sind), so dass es für die Schulen zumindest nachvollziehbar ist, warum wir am festgelegten Termin festhalten. In 2011 haben wir eine Zufriedenheitsstudie durchgeführt, und die Ergebnisse sind alles in allem sehr positiv ausgefallen (abrufbar unter diesem link)

Gibt es bestimmte Aspekte oder Bereiche, die im Rahmen der Schulinspektion an den Hamburger Schulen als verbesserungsbedürftig aufgefallen sind? Wie reagieren die Schulen auf die Rückmeldung zu den von Ihnen identifizierten Defiziten?

In unseren Jahresberichten veröffentlichen wir regelmäßig Auswertungen über das Gesamtsystem (abrufbar unter diesem link). Dabei haben wir wiederholt aufgezeigt, dass Entwicklungsbedarf in den Schulen insbesondere in den Bereichen Personalentwicklung, Schulinterne Curriculumarbeit sowie Evaluation besteht. Im Regelfall sind sich die Schulen dieser Entwicklungsfelder bewusst, verweisen aber auch auf andere als vorrangig empfundene Aufgaben wie die Unterrichtsentwicklung oder die individuelle Lernbegleitung. Da wir den Prozess der Ergebnisverarbeitung in die Hand der Schulen und Schulaufsichten übergeben, haben wir keinen Einblick in die Maßnahmengestaltung der Schulen. Diese liegt im Rahmen der Selbstverantworteten Schule.

Berichten die Inspektor/innen in Bezug auf ihren Einsatz vor Ort auch über Schwierigkeiten? Welche Schwierigkeiten werden dabei vor allem genannt?

Vereinzelt ist es in den Anfängen der Schulinspektion zu Protesten einzelner Lehrkräfte gekommen. Insgesamt ist die Aufnahme an den Schulen jedoch freundlich, wertschätzend und entgegenkommend.

Im Rahmen des Bielefelder Teilprojekts berichtet Prof. Dr. Böhm-Kasper über Effekte von Nachinspektionen in Niedersachen. Auch in Hamburg finden bei schwachem Abschneiden von Schulen eineinhalb Jahre nach dem Erstbesuch Nachinspektionen statt. Als wie wirksam hat sich die Einrichtung der Nachinspektion Ihrem Eindruck nach bisher erwiesen?

Bislang sind fünf Schulen nach einem schwachen Erstergebnis nachinspiziert worden. In der Zwischenzeit waren umfängliche Unterstützungsmaßnahmen durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) erfolgt, das heißt vor allem die Beratung bei der gemeinsamen Festlegung eines Schulentwicklungsplans mit konkreten Maßnahmen, die Vereinbarung von Kommunikations- und Entwicklungsstrukturen etc. In allen Fällen haben sich positive Veränderungen gezeigt, woraufhin die Schulen von dem Status „Schule mit besonderem Handlungsbedarf“ befreit wurden.

Wie reagieren Ihrer Erfahrung nach Schulleitungen und Lehrkräfte in Hamburg auf die Durchführung von Nachinspektionen?

Die Fallzahlen sind zu gering, als dass man bereits verallgemeinerbare Aussagen treffen könnte. Mein persönlicher Eindruck ist jedoch, dass den Schulen sehr daran gelegen ist, ihre Veränderung zu dokumentieren. Sie wollen zeigen, dass sie sich in der Zwischenzeit bewegt haben und nicht mehr als Schule mit besonderem Handlungsbedarf gelten sollten.

Inwiefern werden von den Schulen Unterstützungsangebote der Schulbehörde in Anspruch genommen?

Sofern eine Schule ein entsprechendes Ergebnis in der Schulinspektion erhält (die Kriterien sind eindeutig bestimmt), tritt eine Fallkonferenz zusammen, in der die Amtsleitung, die zuständige Leitende Schulaufsicht und die zuständige Schulaufsicht, das LI und die Schulinspektion vertreten sind. Sie legen gemeinsam fest, welche Maßnahmen der Unterstützung und Beratung für die Schule angezeigt sind. Diese muss die Schule verpflichtend in Anspruch nehmen. Schwerpunkte liegen im Bereich der internen Kommunikation und Qualitätssteuerung, aber auch der Unterrichtsentwicklung.

Inwieweit wird erkennbar, dass die Hamburger Schulen im Nachgang der Inspektionen auch tatsächlich Maßnahmen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung einleiten?

Da wir erst am Anfang des zweiten Inspektionszyklus stehen, haben wir noch keine Erkenntnisse über die Qualität und Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen erlangen können.

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Veranstaltungsrückblick

Workshopveranstaltung zu "Schulen in schwieriger Lage"

Schulen in schwieriger Lage

Schulen in schwieriger Lage

Über 100 Teilnehmer/innen aus Schulen, Einrichtungen der Schulverwaltung, Weiterbildungsinstitutionen und der Bildungsforschung waren am 09.11.2012 der Einladung zur Workshopveranstaltung "Schulen in schwieriger Lage" an die Berliner Heinz-Brandt-Schule gefolgt. In Zusammenarbeit mit der gastgebenden Schulleiterin Miriam Pech bot die Koordinierungsstelle SteBis den Rahmen für ein Veranstaltungsprogramm, das den Transfer wissenschaftlicher Befunde in die schulische und administrative Praxis anstoßen sowie den Austausch aller an Schulentwicklungsfragen beteiligten Professionen ermöglichen sollte.

Neben Impulsvorträgen zweier SteBis-Projekte zur Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht an sozioökonomisch benachteiligten Standorten und Kooperationen als Unterstützung von Schulentwicklungsprozessen, die ihre Fortführung in thematisch fokussierten Arbeitsgruppen fanden, wurde die Veranstaltung durch eine Podiumsdiskussion getragen, an der auch der Berliner Staatssekretär für Bildung, Mark Rackles, beteiligt war. Im Gespräch mit den Bildungsforscherinnen Prof. Dr. van Ackeren und Prof. Dr. Pfaff sowie den Schulleitungs-Vertretern Miriam Pech und Paul Schuknecht - zugleich Vorsitzender des GEW-Schulleiterverbands -, aber auch im direkten Dialog mit Lehrkräften, die in benachteiligten Regionen Unterricht gestalten, wurden hier Kernfragen der Entwicklung und Unterstützung von Schulen in schwieriger Lage diskutiert.

Dokumentationsmaterial rund um die Veranstaltung finden Sie unter hier.

Ausblick

Tagungsbeteiligungen der SteBis-Projekte in 2013

Konferenzgespräch

Konferenzgespräch

Um mit den Projektnehmer/innen über Forschungsvorhaben, -methoden oder -befunde zum Themenbereich  >Steuerung im Bildungssystem< direkt in Kontakt treten zu können, möchten wir Sie auf folgende erziehungswissenschaftliche Tagungen und Kongresse aufmerksam machen, bei denen SteBis-Projekte in diesem Jahr vertreten sind:

Auf der in Kürze in den USA stattfindenden AERA mit Themenschwerpunkt "Education and Poverty: Theory, Research, Policy and Praxis" (27.04.-01.05.2013, San Francisco) werden neben der Koordinierungsstelle auch Kolleginnen und Kollegen der Projekte EviS, SHaRP und "Die Realisierung testbasierter Schulreform in der Mehrebenenstruktur des Schulsystems" anwesend sein. Das EviS-Projekt trägt dabei über "School Culture and Data-driven School Improvement in the German Multi-level School System" vor und lädt zum wissenschaftlichen Austausch über evidenzbasierte Steuerung ein. Dr. Brauckmann referiert in einem Symposium über "Incentivizing Productive Leadership Practices: Cross-National Comparison of School Leadership Under Alternative Governance and Accountability Systems". Und Mitarbeiterinnen aus dem Projekt von Prof. Kuper und Prof. Maier werden im Rahmen eines vom DIPF/ICE organisierten Networking Events über ihre Befunde sowie die Arbeit der Koordinierungsstelle informieren.

Für die ECER-Conference "Creativity and Innovation in Educational Research" (10.-13-09.2013, Istanbul) sind Beiträge aus drei SteBis-Projekte angekündigt: Prof. Böhm-Kasper aus dem Verbundprojekt zur Schulinspektion wird mit seinem Beitrag "Do different types of school inspection have an impact on school improvement?" an die oben vorgestellten Befunde zur ländervergleichenden Studie des Gesamtprojekts anknüpfen. Mit einer Posterpräsentation (Thema: "Contrastive patterns of coordination regarding the usage of mandatory test-data on principal and school supervising authority level") sowie der Frage: "Does the design of school-performance-feedback-systems affect teachers perception and use of feedback data?" wird das Verbundprojekt von Prof. Kuper Prof. Maier einen Vergleich von drei Formaten für die Wahrnehmung und Nutzung dateninduzierter Schulrückmeldungen anstellen. Befunde aus dem SHaRP-Projekt präsentiert schließlich Dr. Brauckmann in seinem Beitrag "Discovering the magic triangle of school leadership goals in an Era of New Educational Governance - Insights from Sweden and Germany".

Für den ebenfalls im September stattfindenden Tagungszusammenschluss AEPF/KBBB (25.-27.09.2013, Dortmund) sind Beiträge aus drei SteBis-Projekten angemeldet: Das StABil-Projekt wird über Befunde zur Gestaltung von Rückmeldungen aus Vergleichsarbeiten und zur internen Evaluation an weiterführenden Schulen berichten. Ein weiterer Vortrag ist von Prof. Heinrich aus dem Hannoveraner Teilprojekt zur Schulinspektion (Thema: "Evidenzbasierung als Mythos? Empirische Analysen zur Wissensverwendung in der Schulinspektion") geplant und wird durch Befunde zur "Schulinspektion im Ländervergleich" aus dem Teilprojekt von Prof. Böhm-Kasper ergänzt. Auch Prof. Brüsemeister wird unter dem Titel "Akteure und Akteurskonstellationen in der Governance-Pespektive" Ergebnisse des Gießener Teilprojekts in einem Einzelbeitrag vorstellen. Schließlich wird das Teilprojekt von Prof. Maier mit einem noch in Planung befindlichen Beitrag auf der Konferenz vertreten sein.

Auf der EARLI/JURE (27.08.-31.08.2013, München) präsentiert das ifo-Institut im Rahmen eines Symposiums einen Beitrag über "The Effects of Early Grade Retention on Student Outcomes over Time: RD Evidence from Florida". Das StABil-Teilprojekt der Freien Universität Berlin wird an einem Symposium zu "Quality Assurance with High or Low Pressure: School and Teacher Responses in Multiple Countries" beteiligt sei. Und über Ergebnisse aus dem EviS-Projekt können Sie sich auf dieser Konferenz in einem Vortrag über "Data Driven Decision Making and the Impact of the Principal - Results of the EviS-Study) von Prof. Zlatkin-Troitschanskaia informieren lassen.

Wir freuen uns, Sie auf den genannten Veranstaltungen zu treffen.

Mit freundlichen Grüßen aus der Koordinierungsstelle SteBis

Impressum

Kontaktaufnahme

Institution:

SteBis - Koordinierungsstelle des Forschungsschwerpunktes "Steuerung im Bildungssystem"

gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, eingerichtet an der Freien Universität Berlin

Anschrift:

Koordinierungsstelle SteBis

Ansprechpartner:

Jasmin Tarkian, Barbara Muslic

Freie Universität Berlin
FB Erziehungswissenschaft und Psychologie
AB Schulpädagogik / Schulentwicklungsforschung

Habelschwerdter Allee 45
14195 Berlin

Tel. +49 (0) 30 838-75424

 eMail: stebis@fu-berlin.de

Umsatzsteueridentifikationsnummer:

DE 811304768

Redaktion:

Projektbüro SteBis
Habelschwerdter Allee 45
Raum KL 23/201

14195 Berlin
E-Mail : stebis@fu-berlin.de

Gestaltung:

Designteam
Center für Digitale Systeme
Kompetenzzentrum e-Learning / Multimedia
Freie Universität Berlin

Technische Umsetzung:

CMS
Center für Digitale Systeme
Kompetenzzentrum e-Learning / Multimedia
Freie Universität Berlin

Content Management System: Infopark AG CMS Fiona (www.infopark.de)

Bildnachweise:

Fotos: Pressestelle der Freien Universität Berlin, SteBis-Projektarchiv, Sara Tormöhlen

Rechtsform:

Die Freie Universität Berlin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. §§ 1 und 2 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)

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